"In einer Wissenschaft ist nur soviel Wahrheit, als darin Mathematik enthalten ist"
[ Immanuel Kant ]

Das Quantitätsgesetz, wissenschaftliche Grundlage unseres Programms

(aus FW Nr. 56, März-April 2013)

Wir haben in unseren Rundbriefen oft auf das Quantitätsgesetz bzw. die Quantitätsgleichung hingewiesen, auf der unser Verständnis einer vernünftigen, aber auch jeder schlechten Geldverwaltung beruht. Wenn wir von Inflation, Deflation, Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit, Währungsbetrug reden, schreiben, steht uns stets die Quantitätsgleichung des Geldes vor Augen. Wer die Quantitätsgleichung der Freiwirtschaft begreift, kann jede Debatte mit „Experten“ erfolgreich aufnehmen- bis sie die Waffen strecken!

Wir behandeln hier die wissenschaftliche Grundlage freiwirtschaftlicher Geldverwaltung, die genau so wichtig ist wie die Behandlung der Zinsfrage.

Dem einfachen „Mann auf der Straße“ sind wirtschaftliche Gesetze weit geläufiger als den „Wirtschaftsfachleuten“. Nehmen wir das folgende, das uns jeder sagen kann:

„Angebot und Nachfrage bestimmen die Preise“

Ist das nicht die treffende Beobachtung eines Wirtschaftsgesetzes? Hatte die Welt auf einen genialen Professor der „Ökonomie“ zu warten, der einem Newton gleich so etwas Grundsätzliches entdeckte? Nein- das Volk kam offensichtlich ohne ihn aus! „Die Freiwirtschaftler sind schreckliche Vereinfacher“, schimpfen die „Experten“. Sie halten in den Medien- die uns ja versperrt werden, gewiß wegen unserer fachlicher Überlegenheit- unverdauliche Reden und Abhandlungen, die man so schnell vergißt, wie sie gesprochen wurden.

Wir durchschauen ihr anmaßendes Berufs-Kauderwelsch, wir sind imstande, so ein volkswirtschaftliches Gesetz zu untersuchen und---- wissenschaftlich anzuwenden!

Die Formel ist einfach:

Geld Warenangebot = Preis

Schon vor langer Zeit erkannte man, daß nur Geld, das Nachfrage nach Waren hält, für die Preisbildung herangezogen werden kann. Hume schrieb (vor 250 Jahren!): „Geld, das nicht angeboten wird, hat auf die Preise die gleiche Wirkung, als wenn es vernichtet worden wäre.“

Was wir Silvio Gesell verdanken, ist die Erweiterung um einen Faktor, den man übersah: Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes.

Nun kommen die ganz Klugen und wenden ein:

„Wie kann man die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes feststellen? Unmöglich, einen einzigen Geldschein verfolgen zu wollen- und gar Millionen solcher Scheine?“

Allerdings, das kann man nicht - aber es erweist sich auch als unnötig. Man braucht nicht einmal höhere Mathematik und Wahrscheinlichkeitsrechnung zu bemühen. Die Umlaufgeschwindigkeit ist eine statistische Durchschnittsgröße, die sich in Prozenten ausdrücken läßt. Die Formel der nun „bereinigten“ Quantitätstheorie lautet nunmehr:

(Bar-)Geldmenge * Umlaufgeschwindigkeit Warenangebot auf dem Markte = Preise

Die „gelehrten“ Nationalökonomen kennen diese Formel auch, aber sie vermeiden, von ihr zu reden. Sie ist für ihr „Fachgebiet“ nämlich gefährlich. Keinem von ihnen wird einfallen, sie als Grundlage des Wirtschaftsgeschehens zu beschreiben. Weil man nämlich sofort zu der Erkenntnis gelangt, daß die Umlaufgeschwindigkeit der große Unsicherheitsfaktor ist, mit dem das kapitalistische Geldsystem niemals fertig wird.

Das zuzugeben würde sie Amt und Pension kosten!

Nur Gesell war so konsequent, die einzig mögliche Folgerung zu ziehen und vorzuschlagen, das Geld unter Angebotszwang zu stellen. Freigeld nennen wir das. Freigeld ist immer auf dem Markt, alles ausgegebene Geld muß im Verkehr der Wirtschaft bleiben, kein Freigeldschein kann stilliegen. Es läuft auch mit der günstigsten Geschwindigkeit um, die unsere Buchungs- und Zahlmethoden gestatten. Anders ausgedrückt: Die Umlaufzahl für Freigeld ist 100%, in der Formel ausgedrückt =1.

Eine Zahl mit 1 malgenommen, ergibt diese Zahl wieder, und so kann bei Freigeld der Faktor Umlauf-geschwindigkeit fortfallen.

Freigeldmenge * 1 (Umlaufgeschwindigkeit 100%) Warenangebot auf dem Markte = Preise

Dies gilt, wohlgemerkt, nur bei Freigeld im Sinne Gesells. Übliches kapitalistisches Geld, das wir gebrauchen müssen, läuft niemals gleichmäßig um. Gesell hat diesen Sachverhalt in der „Natürlichen Wirtschaftsordnung“ dargestellt, seine Ursachen und Wirkungen in mehreren Kapiteln beschrieben.

Unsere Untersuchungen ergaben ferner, daß ein großer Teil des ausgegebenen Geldes sich gar nicht im Umlauf befindet, es wird als „Sparmittel“ gehortet (siehe dazu Rundbrief 51): Wir wollen jetzt untersuchen, wie sich die Umlaufgeschwindigkeit gemäß der Quantitätsgleichung in der kapitalistischen Wirtschaft auswirkt.

Nehmen wir an, in einer guten Hochkonjunktur erreiche die Umlaufgeschwindigkeit etwa 60% (das ist sehr optimistisch!) der von Freigeld. Die Formel würde dann lauten:

Geldmenge * 0,6 Warenangebot = Preise

Nun beschließen die Machthaber der Notenbank, die Konjunktur zu stoppen (weil sie ja den Zinsertrag, die Profite bedroht), indem sie Kredite an die Unternehmer verweigern und/oder einen Teil des angehaltenen Geldes „einfrieren“. Es braucht nicht einmal viel zu sein. Sie nennen so etwas, wie bekannt, „Krediteinschränkung, Sparpolitik, Inflationsgefahr“ oder ähnlich. Die Rückwirkungen auf die Wirtschaft sind jedoch katastrophal. Den Kreditnehmern (Borgern) wird nämlich das Geld knapp, mit dem sie ihre Produktion vorfinanzieren. Darum versuchen sie, ihren Geldbesitz zu strecken, indem sie zögernder zahlen. Jeder ist bestrebt, sich etwas länger im Besitz seines Geldes zu halten. Richtig wäre natürlich, in diesem Augenblick das Geld schneller umzuschlagen, aber im kapitalistischen System ist die Handlungsweise unvermeidlich dem Allgemeinnutzen entgegen gerichtet. Man schränkt Käufe ein, infolgedessen stockt der Verkauf fertiger Waren (und Leistungen). Wurde der Geldschein durchschnittlich vorher einmal in der Woche umgeschlagen, so wird es jetzt nur einmal in zwei Wochen den Besitzer wechseln. Das bedeutet die Halbierung der Umlaufgeschwindigkeit. In obiger Formel werden wir also 0,3 statt 0,6 schreiben Das hat wiederum zur Folge, daß die Umlaufgeschwindigkeit weiter absinkt, etwa auf ein Drittel der ursprünglichen oder 0,2.

Man hat keine Schwierigkeit zu erkennen, wie die Festlegung eines kleinen Teils des Geldes eine vervielfachende Rückwirkung hat und Nachfragemangel nach sich zieht. Es fehlen Aufträge, Rohstoffe bleiben liegen. Wird das Produkt wegen Geld- bzw. Kreditmangels nicht gekauft, wird seine weitere Herstellung zwecklos. Woher soll ein Unternehmer das Geld nehmen, seine Belegschaft zu bezahlen, wenn die Käufer fehlen? Parallel mit dem Sinken der Umlaufgeschwindigkeit steigt die Zahl der Erwerbslosen.

Die Massenmedien erzählen dem Volks etwas von „Rezession“ und deuten an, sie sei vom Himmel gefallen, ein Naturereignis wie die Eiszeit. Und die Politiker? Bei denen beginnt jetzt das große Raten, Beraten und Streiten, wie man die Rezession der Wirtschaft überwinde.

Machen wir einen Gedankenversuch: Wir stellen uns einen Finanzminister vor, der sich seines „Kollegen“ von der Wirtschaft erbarmt und die „Goldene Zeit“ der entschwundenen Konjunktur wieder herstellen möchte (zumal er ja dann auch erheblich mehr Steuern einnimmt). Die Notenbank hatte während der Konjunktur, sagen wir mal 30 Mrd. im „Umlauf“ (sie behauptet das, aber wir wissen, vom Dauergeld kann sie gar nicht wissen, wie viel tatsächlich umläuft).

Nun wird es lächerlich, denn die politischen Deppen, die Klagen und Proteste der verdienstlosen Massen auszuhalten haben, sehen nicht wie wir gesetzmäßige Zusammenhänge mit der Umlaufgeschwindigkeit. Weil alle von Geldmangel reden, verkündet „Kollege“ Schlaumeier MdB, der Staat müsse einspringen, einige Millionen Staatshilfe seien eine „wirkungsvolle Konjunkturspritze“ und würden die Wirtschaft wieder „ankurbeln“.

Wie viel bares Geld müßte die Regierung verlangen, um die „Rezession“ zu beheben? 10, 50, 100, 500 Millionen? Viel zu wenig! Sie müßte die auf die Hälfte gesunkene Umlaufgeschwindigkeit gemäß unserer Formel mit Bargeld ausgleichen. Das heißt, sie hätte auf der Stelle 15 Milliarden zu fordern und in den Verkehr zu bringen. So eine ungeheure Summe könnte kein Politiker wagen zu fordern.

Die Quantitätsgleichung zeigt aber, daß ein Ausgleich für den abgesunkenen Umlauf des Geldes anders nicht möglich ist, ausgenommen, die Preise sinken sofort um die Hälfte.

Das geht aber erst recht nicht. Denn Verkauf unter dem Erzeugerpreis ruiniert den Unternehmer, und fallende Preise führen zum Zusammenbruch der Wirtschaft.

Das Volk wartet vergebens auf die Einlösung der Versprechen seiner Politiker, weil das Wunder der „Ankurbelung“ trotz aller Beschwörungen unter diesen Umständen nicht eintreten will und auch gemäß Quantitätsgleichung nicht eintreten kann.

Uns Freiwirtschaftlern verrät der Faktor Umlaufgeschwindigkeit noch etwas weiteres, was freilich den Gedanken an eine Geldspritze in Milliardenhöhe so ausschließt wie einen Preisverfall. Würde der Ersatz für das langsamer umlaufende Geld in den Verkehr gelangen, so würde auch dieses umgehend wieder in Bewegung geraten. Die Umlaufgeschwindigkeit würde sich im Nu mindestens verdoppeln! Bei solchen Maßnahmen stünde plötzlich die um 50% vermehrte Geldmenge mit doppelter Umlaufgeschwindigkeit dem infolge der Rezession verringertem Warenangebot gegenüber. Im kapitalistischen Geldsystem ist es ganz unmöglich, die „Spritze“ von 15 Mrd. umgehend aus dem Umlauf zu entfernen! Folge gemäß Quantitätsgesetz: Enorme Preissteigerungen, Inflation.

Jede gutgemeinte Wirtschafts- und Finanzpolitik muß an der kapitalistischen Natur des Geldes scheitern. Die Wucht der unkontrollierbaren Umlaufgeschwindigkeit überrollt sie! Trotzdem ignorieren die Wirtschafts“wissenschaftler“ die Umlaufgeschwindigkeit, weiterhin, machen stattdessen mit oder gegen die Politiker unbrauchbare Vorschläge, die Wirtschaft zu „gesunden“.

Kann man solche Leute mit unserem Wissen überzeugen? Es ist lange genug vergeblich versucht worden. Nein, wir müssen sie dumm sterben lassen, damit unsere Leute es besser machen.

Mein Thema wird manche zur Frage führen, ob eine Umlaufgeschwindigkeit über 100% möglich ist. Auf den ersten Blick scheint das ausgeschlossen. Aber die Geldwirtschaft hat aus Geschichte und Gegenwart Beispiele, daß die Umlaufgeschwindigkeit Menschen verrückt machen kann. Die Inflation Deutschlands im Jahre 1923 ist ein Lehrstück, dessen sich die Alten schaudernd erinnerten und ihren Kindern erzählten. Damals wirkte die Billionenflut der Reichsbank-Notenpresse als Bombe, die das Vertrauen des Deutschen Volkes in das Tauschmittel Mark zerstörte. Erhielt in jenen Tagen jemand Geld ausgezahlt, dann ließ er alles stehen und liegen, um das Geld loszuwerden. Wir hörten, daß damals ein Brot am Nachmittag mehr kostete als in der Frühe. Das Geld war der Schwarze Peter der Volkswirtschaft.

Ein Anwachsen der Umlaufgeschwindigkeit über das wirtschaftlich und menschlich vertretbare Maß kann also nur eintreten, wenn der Mensch durch das Geld geschädigt wird. In diesem Fall zeigt sich ganz deutlich, was Gesell in der „Natürlichen Wirtschaftsordnung“ klipp und klar sagte: Geld nützt uns nur dadurch, daß es uns ermöglicht, Güter zu erwerben. „Geld bleibt Ware, wir kaufen es als Ware, um es als Ware wieder loszuschlagen.“

Wir haben noch die beiden übrigen Faktoren der Quantitätsgleichung zu besprechen: Warenangebot auf dem Markte und Preise.

Der Faktor Warenangebot ist wohl jedem ohne weiteres begrifflich klar. Daß Waren (bzw. Leistungen) ihre individuellen Preise erzielen, ist für jedermann selbstverständlich. Für die wissenschaftliche Geldverwaltung des Reichswährungsamtes sind deshalb genauere Bestimmungen notwendig.

Hierfür können nur die Waren auf dem Markte in Betracht gezogen werden, die für die allgemeine, ins einzelne gehende Preisbildung eine entscheidende Rolle spielen. Mit anderen Worten, hierfür kommen Waren in Betracht, deren Preis die gesamte Wirtschaft beeinflußt.

Gesell hat die Maßnahmen ausgearbeitet. Sie lassen nichts an Klarheit zu wünschen und gehören deshalb zu unserem Programm.

Es handelt sich um die sogenannten Stapelwaren (englisch: „commodities“), das sind Dinge, die nicht schnell verderben und in großen Mengen von der Wirtschaft und Allgemeinheit gebraucht werden. Sie sind weitgehend von Kultur und Lebensstandard des Volkes abhängig, daher nur auf nationalstaatlicher Ebene anwendbar.

Bei uns Deutschen wird man in das Verzeichnis der Stapelwaren Weizen, Roggen, Gerste, Wolle, Baumwolle, Roheisen, Kupfer, (Roh-)Erdöl, Erdgas, Braunkohle, Schnittholz (ab Wald) aufnehmen. Früher hätte man auch Steinkohle berücksichtigt, aber deren Bedeutung schrumpft seit 50 Jahren zugunsten anderer Energien. Dafür ist heute Erdgas von schnell wachsender Bedeutung.

Die Groß-Händler solcher Stapelwaren werden gesetzlich verpflichtet, wöchentlich ihre VERKÄUFE (nur im Inland) nach Menge und erzieltem Preis dem Währungsamt mitzuteilen.

Das Währungsamt stellt die Umsätze für das ganze Reichsgebiet zusammen und bildet aus Preis und Menge die sogenannte Richtzahl für jeden einzelnen Stapelartikel, mit der erstmaligen Basis 100. Fortan wird jede Abweichung davon sofort erkennbar.

Selbstverständlich ist damit zu rechnen und zulässig, daß Stapelwarenpreise schwanken (z.B. infolge von Mißernte), aber gewiß nicht so wild herauf- und runtergehen wie das heute infolge wüster Spekulationen der Fall ist.

Die Summe sämtlicher Stapelwaren-Richtzahlen dient der amtlichen Feststellung, ob das allgemeine Preisniveau sich veränderte. Worauf man dann im Reichswährungsamt durch eine genau dosierte +-Veränderung der Geldmenge das Durchschnittspreisniveau korrigiert.

Die Quantitätsgleichung zeigt mit Anwendung der Freigeldwährung den praktischen und wissenschaftlichen Nutzen freiwirtschaftlicher Geldverwaltung.

DFB

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